Ovarialkarzinom PARP Inhibitoren: Frau geht über Wiese
Gyn. Krebs
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Eierstock­krebs: psychische Stabilität dank individuellen Strategien

Ovarialkarzinom PARP Inhibitoren: Veronika Pasquinelli

Dr. med. Veronika Pasquinelli
Fachärztin für Allgemeine Innere Medizin,
psychosomatische und psychosoziale Medizin
Inselspital Bern

Die Diagnose fortgeschrittener Eierstockkrebs ist längst kein Todesurteil mehr; manche Frauen leben Jahrzehnte damit. Die Angst vor einem Rezidiv, dem sogenannten Rückfall der Krankheit, bleibt dennoch. Dr. Veronika Pasquinelli, sagt: «Betroffene Frauen können sich Gutes tun, indem sie sich ihrer ganz persönlichen Kraftquellen bewusst werden.».

Dr. Pasquinelli, bei Frauen mit fortgeschrittenem Eierstockkrebs ist häufig keine Heilung möglich. Welchen psychologischen Belastungen sind diese Patientinnen typischerweise ausgesetzt?

Dr. Pasquinelli: Die Diagnose Eierstockkrebs stellt das ganze Leben der betroffenen Frau auf den Kopf und hinterlässt Schock, Angst und Ohnmacht. Die psychischen Belastungen sind sehr individuell und abhängig vom Alter der Betroffenen, von Begleiterkrankungen, den Lebensumständen, von früheren Erfahrungen in Krisensituationen aber auch von der Behandlungsphase. Am Anfang ist meist eine grosse Verunsicherung da, eine existenzielle Angst. Zugleich läuft in dieser ersten Phase viel: die Therapien werden gemäss der Tumorboardempfehlung besprochen und organisiert; ein Termin jagt den nächsten, die Patientin ist beschäftigt damit, sich und ihr Umfeld zu organisieren. Die Ängste und das Ausmass der Belastungssituation zeigen sich häufig erst im Verlauf der Therapiezeit oder danach.

 

Bereits bei der Diagnose steht den betroffenen Frauen eine auf Krebs spezialisierte Pflegefachkraft (sog. Cancer Care Nurse) bei. Wie begleitet sie die Patientinnen psychologisch durch den Krankheitsprozess?

Dr. Pasquinelli: Die Pflegefachperson ist während des gesamten Krankheitsprozesses und darüber hinaus eine enge Ansprechperson für die Patientin und auch für deren Angehörige. Sie ist bei Aufklärungsgesprächen dabei, klärt über Nebenwirkungen auf und ist sehr häufig erste Ansprechperson bei Sorgen und Unklarheiten. Sie arbeitet eng und interdisziplinär mit den zuständigen Medizinfachpersonen zusammen. Ergänzend kann die psychoonkologische Behandlung durch spezialisierte Ärztinnen oder Psychologinnen angeboten werden.

Ovarialkarzinom PARP Inhibitoren Gänseblümchen

Die Behandlung eines Eierstockkrebses verläuft zumeist in drei Stufen: Operation, Chemotherapie, Erhaltungstherapie. Wie kann diese belastende Therapie-Zeit psychisch bewältigt werden?

Dr. Pasquinelli: Die psychische Verarbeitung einer Krebserkrankung ist von Patientin zu Patientin sehr individuell. Einige Frauen nehmen jeden Tag so wie er kommt, ohne sich intensiv um die Zukunft zu sorgen. Andere setzen sich intensiv mit der Krankheit auseinander, wieder andere sind von starken Ängsten geplagt. Was der Patientin während der belastenden Therapie-Zeit hilft, ist deshalb auch sehr unterschiedlich: manche erleben Entspannungstechniken als sehr hilfreich, andere schöpfen Kraft aus ihren Beziehungen, aus ihrer Spiritualität, wieder andere aus Sport oder einer anderen geliebten Tätigkeit. Allgemein hilfreich sind eine offene Kommunikation und ein unterstützendes, verständnisvolles Umfeld.

 

Die Therapieoptionen bei einem fortgeschrittenen Eierstrockkrebs haben sich auch dank Erhaltungstherapien, wie beispielsweise mit PARP-Inhibitoren, verbessert. Wie wirkt sich diese Aussicht auf die Psyche der Frau aus?

Dr. Pasquinelli: Ein fortgeschrittener Eierstockkrebs bedeutet längst kein Todesurteil mehr und viele Frauen leben Jahre, teils sogar Jahrzehnte damit. Ich betreue etwa eine Patientin, die inzwischen über 15 Jahre mit einem fortgeschrittenen Ovarialkarzinom lebt. Diese Erfolgsgeschichten geben den Patientinnen viel Hoffnung und Zuversicht.

Manchmal hilft es, die Angst bewusst zuzulassen und die angstauslösenden Gedanken zu Ende zu denken. Auch über den Tod und die Angst vor dem Sterben zu sprechen, kann entlastend wirken.

Dr. Veronika Pasquinelli

Wie wird die Therapie bei einem fortgeschrittenen Eierstockkrebs im Allgemeinen vertragen?

Dr. Pasquinelli: Die Neben- und Nachwirkungen sind mehrheitlich auf die Chemotherapie zurückzuführen. Viele Patientinnen entwickeln eine Neuropathie, leiden unter einer ausgeprägten Müdigkeit («Fatigue»), Stimmungsschwankungen und Schlafstörungen. Insbesondere die Fatigue bleibt oft bestehen und führt zu einer reduzierten Leistungsfähigkeit. Hier hilft vor allem Bewegung, auch wenn es nur ein kleiner Spaziergang an der frischen Luft ist. Im Allgemeinen ist die Lebensqualität unter der Enthaltungstherapie sehr gut und manche Patientinnen finden sogar wieder ins Berufsleben zurück.

 

Mehr als die Hälfte der Patientinnen erleben einen Rückfall innerhalb von 5 Jahren. Wie gelingt es, mit dieser Angst umzugehen?

Dr. Pasquinelli: Die Angst vor einem Rückfall bleibt immer bestehen. Viele Patientinnen entwickeln ein anderes Bewusstsein für die Endlichkeit, sie schöpfen Kraft aus ihren Krankheitserfahrungen und haben ihre persönlichen Strategien, um mit dieser Angst umzugehen. Manchmal hilft es, die Angst bewusst zuzulassen und die angstauslösenden Gedanken zu Ende zu denken. Auch über den Tod und die Angst vor dem Sterben zu sprechen, kann entlastend wirken.

 

Zum Schluss: Was möchten Sie betroffenen Frauen mit auf den Weg geben und an wen können sie sich bei psychischer Belastung wenden?

Dr. Pasquinelli: Frauen mit Eierstockkrebs können aktiv etwas tun, um wieder eine psychische Stabilität zu erlangen. Wenden Sie sich mit Ihren Sorgen an das Betreuungsteam. Die auf Krebs spezialisierten Pflegefachkräfte und die Psychoonkologinnen sind für Sie da und helfen Ihnen gerne auf Ihrem Weg zur verbesserten Lebensqualität. Viele Patientinnen schätzen auch den Austausch mit anderen Betroffenen. Patientenorganisationen wie beispielsweise ElleHelp oder die Manja Gideon Stiftung können hier unterstützen.

Über die Erhaltungstherapie mit PARP-Inhibitoren

Was ist eine PARP-Inhibitoren Therapie?

Die PARP-Hemmer sind eine vergleichsweise neue Medikamentengruppe. Sie hemmen das Enzym Poly(ADP-Ribose)-Polymerase (PARP), das an der Reparatur von DNA-Schäden beteiligt ist. Diese Hemmung führt letztlich zum Absterben der Tumorzellen.

Was ist das Ziel der Therapie?

Eine Erhaltungstherapie kommt nach einer Chemotherapie zum Einsatz. Ziel ist es, die Tumorkontrolle, die mithilfe der Chemotherapie erreicht werden konnte, möglichst lange aufrecht zu erhalten. So soll die Rückkehr der Krebserkrankung verhindert oder verzögert werden. Eine Erhaltungstherapie erfolgt daher über einen längeren Zeitraum.

Für welche Patientinnen eignet sich die Therapie?

Die Therapie kommt für Patientinnen, bei denen ein hoch-gradiger epithelialer Eierstock-, Eileiter-oder Bauchfellkrebs in einem fortgeschrittenen Stadium (FIGO-Stadien III und IV) vorliegt, in Frage. Ebenso muss der Krebs auf die Erstlinien- Chemotherapie angesprochen haben.

Journalistin: Anna Birkenmeier
Datum: 26.09.2022