
Tickende Zeitbombe: Multiples Myelom
Vor bald 30 Jahren erhielt die heute 68-jährige Monica die Diagnose Multiples Myelom. Dass sie irgendwann daran erkranken wird, darauf war sie vorbereitet. Der Zeitpunkt wann, war hingegen ungewiss.
Monikas Geschichte
Die Diagnose, dass mit Monicas Blut etwas nicht in Ordnung ist, kam zu einem Zeitpunkt, in dem sie weitaus grössere Sorgen hatte als ein auffälliger Blutwert: «Ich hatte drei kleine Kinder, das Jüngste war noch ein Baby. Ein Jahr nachdem mein Hausarzt feststellte, dass ich zuviel Eiweiss im Blut hatte und eine sogenannte Paraproteinämie vorliegt, starb mein Mann überraschend an einem Herzinfarkt. Es drehte sich alles darum, dass ich irgendwie funktionieren musste», erinnert sich Monica. Körperliche Symptome habe sie damals keine gehabt, sagt Monica. Lediglich immer wieder eine lähmende Müdigkeit, die sie aber auf ihre belastende Lebenssituation schob. Was folgte waren regelmässige Blutuntersuchungen und als sich die Werte verschlechterten, zusätzlich eine jährliche Knochenmarkpunktion. Diese wurde im Spital durchgeführt und zum ersten Mal verstand die damals 33-Jährige auch, dass die Paraproteinämie eine Vorstufe zu einem Multiplen Myelom ist. «Es beruhigte mich, dass ich so kompetente Ärztinnen und Pfleger um mich hatte, ich fühlte mich stets in den besten Händen. Den Gedanken und die Ungewissheit, wann die Krankheit ausbrechen wird, verdrängte ich», so Monica. Gleichzeitig hatte ihr Spitalbesuch auch einen schönen Nebeneffekt: Sie lernte einen neuen Partner kennen.
«Ich musste alles für den Worst Case organisieren»
Und auch gesundheitlich ging es ihr all die Jahre gut. Dass sich in ihrem Körper eine tickende Zeitbombe befand, spürte sie nicht. Auch dann nicht, als 1992, 10 Jahre nach den ersten Auffälligkeiten, das Multiple Myelom mit voller Wucht zuschlug. Diagnose: Multiples Myelom Stadium 3. Eine umgehende Behandlung war überlebensnotwendig. «Ich hatte keinen Schock, irgendwie war ich ja darauf vorbereitet, dass es irgendwann soweit sein wird». Viel schlimmer war für die ehemalige Kindergärtnerin, dass sie eine folgenschwere Entscheidung treffen musste: Wird lediglich mit Chemotherapie behandelt, läge ihre Lebenserwartung bei 2–3 Jahren, wird eine Knochenmarktransplantation durchgeführt, besteht ein 10–15 prozentiges Risiko, dass sie diese nicht überleben würde. «Ich dachte nur an meine Kinder, was aus ihnen wird, wenn sie nach ihrem Papa auch noch mich verlieren». Und doch entschied sie sich am Ende für die Knochenmarktransplantation. Am schwierigsten war für Monica, dass sie alles für den «worst case» organisieren musste. «Zum Glück habe ich eine tolle Familie, die mich unterstützt hat. Ich konnte mich voll auf sie verlassen und mich auf meine bevorstehende Behandlung konzentrieren». In unserem Gespräch bezeichnet sich Monica immer wieder als Glückskind, so auch, als ein geeigneter Knochenmarkspender gesucht wurde. Sowohl ihr Bruder wie auch ihre Schwester kamen dafür in Frage.

Monica kann ihr Leben trotz MM geniessen
Erfolgreicher Behandlungsmarathon
Mit viel Zuversicht und dem festen Glauben daran, dass alles gut kommen wird, begab sich Monica im Juli 92 in die dreimonatige Behandlung. In einem ersten Schritt musste sie sich einer intensiven Chemotherapie und anschliessend einer Ganzkörperbestrahlung unterziehen. Danach folgte die Transplantation. «Es war ein ständiges Auf und Ab; mein Körper war in einem Ausnahmezustand und ich liess die Strapazen einfach über mich ergehen », erzählt Monica. Das erste Jahr nach der Transplantation war sie immer wieder im Spital, mal war es eine Abstossungsreaktion, dann wieder eine Lungenentzündung. Danach verbesserte sich ihr Zustand stetig, sie konnte wieder mit einem kleinen Pensum in ihren Beruf einsteigen, die Lebensfreude und Lebensqualität kamen zurück. Immer im Wissen, dass das Myelom jederzeit wieder aktiv werden könnte. Doch auch da stand das Glück auf Monicas Seite: Nachdem sie die ersten Jahre noch mit einer Erhaltungstherapie behandelt wurde, konnte sie die Medikamente 2009 ganz absetzen. 2015 dann plötzlich die Verschlechterung – das Myelom war zurück und eine Chemotherapie unausweichlich. «Es folgten vier verschiedene Chemotherapien, die ich bis auf die stetige Müdigkeit allesamt gut vertragen hatte.
Aktuell werde ich mit einer Chemotherapie in Kombination mit einer Antikörpertherapie behandelt.» Auch damit geht es ihr sehr gut, sie hat praktisch keine Nebenwirkungen und eine hohe Lebensqualität. «Das grösste Glück ist für mich, dass ich meine Kinder aufwachsen sehen konnte und ich sie auf ihrem Lebensweg begleiten darf», so Monica abschliessend.
Monicas Tipps für Betroffene :
«Der Austausch mit anderen Betroffenen hilft mir sehr. Ebenso habe ich immer versucht, positiv zu denken und das Beste aus der Situation zu machen. Eine positive Lebenseinstellung hilft.»
Kommentar Prof. Passweg:
Die Erstlinienbehandlung, auch Induktionstherapie genannt, war in den 90 Jahren aggressiver was die Nebenwirkungen anbelangt und deutlich weniger wirksam als die heute verfügbaren Medikamente. Die Chemotherapiekombinationen, wie bei Monica angewendet, werden heute so nicht mehr verwendet.
Datum: 26.09.2022