Tumortherapie heute: Die Achillesferse der Tumorzelle durchtrennen
Genveränderungen begünstigen die Entstehung und das Wachstum von Tumoren. Können diese Veränderungen mit Laboranalysen – sogenannten Mutationsanalysen – bestimmt werden, dann sind auch gezielte Behandlungen möglich, um den Tumor zu stoppen.
Was ist der sogenannte «Mutationsstatus» bei Lungenkrebs?
Dr. Rothschild: Heutzutage wird bei Patientinnen und Patienten mit Lungenkrebs auf Gen-Ebene nach bestimmten Veränderungen gesucht, sogenannten Mutationen. Wir sprechen beim Test von der Mutationsanalyse. Es ist bekannt, dass es bei einem Teil der Patient*innen Mutationen gibt, die in der Tumorzelle zu Aktivierungen von bestimmten Signalwegen führen. Diese Signalwege fördern das Tumorwachstum. Das ist vergleichbar mit einem Schalter der einen Stromkreis in Gang setzt.
Spielt dabei die Vererbung eine Rolle?
Dr. Rothschild: Nein, es ist wichtig zu betonen, dass dies nicht vererbte Veränderungen sind, sondern neue Mutationen, die nur in den Tumorzellen entstanden sind. Und bei rund der Hälfte aller Patientinnen und Patienten finden wir solche Mutationen, die uns helfen, eine massgeschneiderte Therapie darauf abzustimmen.
Sind es äussere Einflüsse, die zu den genannten Mutationen führen, beispielsweise das Rauchen?
Dr. Rothschild: Das trifft absolut zu. Bei vier von fünf Erkrankungen sind es Raucher, die betroffen sind. Dort finden wir sehr viele Mutationen, die durch die im Rauch enthaltenen Gifte ausgelöst wurden. Die Tumorentstehung hängt dann nicht nur an einer Mutation.
Doch bei rund 20 Prozent sind es Personen, die nie geraucht hatten. Hier finden wir typischerweise nur wenige Mutationen, wovon dann eine bestimmte für die Entstehung des Tumors verantwortlich ist. Uns interessiert dann jene Genveränderung, an der die Tumorentstehung hängt und die wir dann gezielt behandeln können.
Die vielen, anfänglich durchzuführenden Abklärungen inklusive der Analyse des Mutationsstatus helfen uns, für jeden Patienten die richtige Therapie zusammenzustellen.
Somit hat das Resultat der verschiedenen Tests zum Mutationsstatus einen Einfluss auf die Therapiewahl?
Dr. Rothschild: Genau. Je nach Mutation oder, um beim Beispiel von vorher zu bleiben, je nach «Schalter», der betroffen ist, können wir den «Stromkreis» mit sogenannt zielgerichteten Medikamenten unterbrechen.
Wie funktionieren zielgerichtete Therapien?
Dr. Rothschild: Im Gegensatz zur Chemotherapie, die sich unspezifisch gegen den Tumor wendet, richtet sich die zielgerichtete Therapie auf bestimmte «Schalter» oder «Stromkreise» und knipst sie aus. Dies ist ein eleganter Weg, der in der Regel weniger Nebenwirkungen verursacht als eine Chemotherapie. Allerdings verbleibt die klassische Chemotherapie immer noch als wichtiger Baustein in der Krebsbehandlung.
Hat der Tumor Ausweichmöglichkeiten?
Dr. Rothschild: Gerade bei Tumoren mit vielen Mutationen ist es nicht möglich, mit einer einzelnen Behandlungssubstanz den Tumor zu stoppen. Hier sind mehrere «Stromkreise» am Werk und es braucht demzufolge eine Kombination von mehreren Medikamenten.
Welche Therapien gibt es bei fortgeschrittenem Lungenkrebs?
Dr. Rothschild: Hier stützen wir uns auf die Chemotherapie, die immer noch von einem grossen Teil der Patient*innen benötigt wird. Auch die zielgerichteten Therapien – in der Regel Tabletten – und die Immuntherapien werden eingesetzt. Letztere sind als neuste Entwicklungen in der Lage, das körpereigene Immunsystem zu aktivieren und ihm auf die Sprünge zu helfen, um sich gegen die Tumorzelle zu wehren. Die vielen, anfänglich durchzuführenden Abklärungen inklusive der Analyse des Mutationsstatus helfen uns, für jeden Patienten die richtige Therapie zusammenzustellen.
Welche Möglichkeiten gibt es, wenn bei Lungenkrebs im fortgeschrittenen Stadium keine Standardtherapie mehr anwendbar ist?
Dr. Rothschild: Die zielgerichteten Therapien sprechen sehr gut an. Leider kann im fortgeschrittenen Stadium in der Regel trotzdem keine Heilung stattfinden. Es tritt in praktisch allen Fällen irgendwann eine Resistenz auf. Die Tumorzelle versucht die Therapien zu umgehen und findet ständig andere «Stromkreise», um das Wachstum fortzusetzen. Auch hier versuchen wir wieder einen Weg zu finden, indem wir erneut eine Tumorprobe nehmen und die Mutationen analysieren. Manchmal lässt sich dadurch eine weitere zielgerichtete Therapie bestimmen, die das Tumorwachstum hemmen kann. Für viele Patientinnen und Patienten gibt es dadurch heute viele Therapiemöglichkeiten, die immer auf die momentane Situation angepasst werden.
Was liegt Ihnen bei der Therapie noch am Herzen?
Dr. Rothschild: Bevor der Moment kommt, wo die Therapien ausgeschöpft sind, ist es ganz wichtig, dass auch andere Aspekte geregelt werden, wie beispielsweise die Linderung der Symptome, Stichwort Schmerzen. Ebenso sollen die Versorgung zu Hause organisiert werden sowie die Bedürfnisse der Angehörigen, damit sie die schwierige Zeit mit dem Patienten gut bewältigen können. Hier wird ebenfalls früh das psychoonkologische Team miteinbezogen. Es steht nicht nur die Krankheit im Mittelpunkt, sondern der Patient und seine Angehörigen als Ganzes. Die Palliativmedizin ist hier sehr wichtig. Somit ist es letztlich eine Teamleistung, die sich um das Wohl des Patienten kümmert. Dies alles ist allerdings nur möglich, weil wir sehr viel Forschung betreiben und Studien mit neuen Behandlungsmöglichkeiten durchführen. Dies ist nur machbar, wenn sich Patientinnen und Patienten im Rahmen von klinischen Studien behandeln lassen. Dafür sind wir sehr dankbar und letztlich kommt es auch ihnen sowie künftigen Patienten wieder zugute
Datum: 26.09.2022
Amgen ist ein weltweit führendes Biotechunternehmen. Unsere Auf-gabe ist es, Therapiestandards für Menschen mit unzureichend oder noch nicht behandelbaren Erkrankungen zu verbessern. Amgen treibt die Forschung stark voran, um neue Medikamente für verschiedene Krebsarten zu entwickeln. Wir bei Amgen konzentrieren uns darauf, das Leben von Menschen mit schweren Erkrankungen laufend zu verbessern.